Was sind dezentrale Energieressourcen (Distributed Energy Resources, DER)?

Solarpanel auf dem Dach eines Industriegebäudes

Autoren

Alice Gomstyn

Staff Writer

IBM Think

Alexandra Jonker

Staff Editor

IBM Think

Was sind dezentrale Energieressourcen (Distributed Energy Resources, DER)?

Dezentrale Energieressourcen (Distributed Energy Resources, DER) sind kleine Energiesysteme, die einen nahe gelegenen Standort mit Strom versorgen. DER können an das Stromnetz angeschlossen oder davon isoliert betrieben werden, wobei die Energie nur an bestimmte Standorte oder Funktionen geleitet wird.

Zum Bereich der DER zählen sowohl Energieerzeugungstechnologien als auch Energiespeichersysteme. Wenn die Energieerzeugung durch dezentrale Energieressourcen erfolgt, wird dieser Prozess als dezentrale Stromerzeugung bezeichnet.

Während DER-Systeme prinzipiell eine Vielzahl von Energiequellen nutzen können, werden sie in der Praxis häufig mit Technologien für erneuerbare Energien – wie Solarmodulen auf Dächern und kleinen Windturbinen – in Verbindung gebracht.

Die Verwendung von DER bietet mehrere Vorteile. Dezentrale Energieressourcen, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen, produzieren häufig keine Emissionen, doch auch mit Erdgas betriebene DER verursachen weniger Emissionen als andere mit fossilen Brennstoffen betriebene Systeme. Dies macht eine Dekarbonisierung möglich.

DER erhöhen außerdem die Widerstandsfähigkeit des Stromsystems: Sie können zentrale Kraftwerke in Zeiten steigender Stromnachfrage ergänzen und als Reservestromquelle dienen, wenn extreme Wetterereignisse die Infrastruktur der Stromversorgungsunternehmen beschädigen. So lässt sich die Ausfallsicherheit wichtiger Ressourcen erhöhen.

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Welche gängigen DER-Technologien und -Systeme werden zur Energieerzeugung verwendet?

Zu den DER-Technologien gehören sowohl traditionelle, auf fossilen Brennstoffen basierende Systeme als auch neuere, umweltschonende Energietechnologien. Zu Ersteren gehören mit Öl und Diesel betriebene Verbrennungsmotoren, die hohe Treibhausgasemissionen erzeugen. Während diese durchaus eine funktionale Lösung darstellen, sind die aufgrund ihrer hohen Umweltauswirkungen immer weniger zeitgemäß in einer Welt, in die meisten Unternehmen versuchen, ihre Klimabilanz zu verbessern. Daher wenden sich immer mehr Unternehmen den grünen Technologien mit geringeren oder gar keinen Emissionen zu. Dazu gehören:

Photovoltaik-Solaranlagen

Photovoltaikanlagen – die häufig einfach als Solarmodule und Solarzellen bezeichnet werden – finden zunehmend als DER eingesetzt. Weltweit wurden zwischen 2019 und 2021 dezentrale Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 167 Gigawatt installiert.1

Windkraftanlagen

DER-Windturbinen werden auch als dezentrale Windenergie bezeichnet. Dezentrale Windenergieanlagen können massive Unterschiede in Bezug auf ihre Größe und Stromerzeugungskapazität aufweisen. Ihr Energie-Output kann je nach Industriestandorts weniger als 1 Kilowatt für den Antrieb einzelner Geräten bis hin zu massiven Werten wie 100 Kilowatt für den Betrieb eines ganzen Industriestandorts reichen. Sie eignen sich besonders für Standorte in Küstennähe oder ebenen Regionen, in denen regelmäßig hohe Windstärken erreicht werden.

Brennstoffzellen

Brennstoffzellen erzeugen Strom durch einen thermochemischen Prozess mit Brennstoffen wie Wasserstoff. Während der Großteil des Wasserstoffs für Brennstoffzellen durch die Verbrennung von Erdgas hergestellt wird, kann er auch mithilfe von erneuerbaren Energien produziert werden. Auf diese Weise gewonnener Wasserstoff wird als „grüner Wasserstoff“ bezeichnet. Wasserstoff-Brennstoffzellen werden in bestimmten Elektrofahrzeugen verwendet und sind in einigen Kraftwerken zu finden. Diese Technologie hat im Laufe der Forschung stetige Fortschritte gemacht und könnte einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, sofern sie weiter verbessert wird.

Kraft-Wärme-Kopplung

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist der Prozess der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme aus einer einzigen Energiequelle. KWK-Technologie kann mit fossilen Brennstoffen wie Erdgas oder mit Brennstoffen auf Basis erneuerbarer Energien wie Biomasse betrieben werden. Die gleichzeitige Erzeugung zwei wichtiger Arten von Energie kann besonders an Industriestandorten von Vorteil sein, die sowohl Strom als auch Wärme für ihren Betrieb benötigen.

Mikroturbinen

Mikroturbinen sind kleine Verbrennungsmotoren, die mit Biogas, Erdgas, Propangas und anderen Brennstoffen betrieben werden. In den meisten Fällen sind sie in etwa so groß wie ein Kühlschrank und produzieren zwischen 15 und 300 Kilowatt Strom. Trotz dieser relativ geringen Leistung können sie zusammengenommen ganze Einrichtungen wie beispielsweise Abwasseraufbereitungsanlagen mit Strom versorgen.2 Diese Anlagen sind ein hervorragendes Beispiel für die Vorteile dieser Technologie: Bei der Abwasseraufbereitung entstehen von Natur aus Klärgase, die mithilfe von Mikroturbinen verwertet werden können. So wird ein eigentliches Nebenprodukt zu einer zentralen Antriebsquelle einer Anlage.

Mixture of Experts | 28. August, Folge 70

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Welche Energiespeichertechnologien werden als dezentrale Energieressourcen verwendet?

Unter Energiespeicherung versteht man das Auffangen und Aufbewahren von Energie für die spätere Nutzung. Beispiele für Energiespeichertechnologien, die als dezentrale Energieressourcen eingesetzt werden, sind:

Batteriespeicher

Batteriespeicher stellen die häufigste Form der Stromspeicherung dar. Während Versorgungsunternehmen in der Regel über eigene große Batterie-Speicherkraftwerke (Battery Energy Storage Systems, BESS) verfügen, können auch kleinere BESS auf den Grundstücken der Energieverbraucher stationiert werden, die praktisch „hinter dem Zähler“ liegen. In Wohngebieten installierte BESS-Geräte werden bis 2030 voraussichtlich eine Kapazität von 20 Gigawattstunden erreichen.3 Sie ermöglichen auch während Stromausfällen oder -engpässen eine fortlaufende Energieversorgung, wobei der Umfang der gespeicherten Energie von ihrer Kapazität abhängt.

Elektrofahrzeuge

Elektrofahrzeuge (Electric Vehicles, EV) können – neben ihrer eigentlichen Funktion als Fortbewegungsmittel – als dezentrale Energieressourcen genutzt werden. Dafür werden sie zunächst an eine Ladestation angeschlossen. Mithilfe der Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) kann dann ungenutzte Energie, die noch immer in der Batterie des Elektrofahrzeugs gespeichert ist, in ein Stromnetz eingespeist werden. V2G-Energieprojekte haben sich in der jüngsten Vergangenheit in mehreren Ländern entwickelt, darunter Deutschland, das Vereinigte Königreich und die USA. Theoretisch lässt sich Energie auf diese Weise auch leicht ohne zusätzliche Technologie von Ort zu Ort transportieren. Aufgrund des Energieverlusts durch den Betrieb des Fahrzeugs hält sich dieser Nutzen allerdings in Grenzen.

Elektrische Warmwasserbereiter

Elektrische Warmwasserbereiter in Privathaushalten können als Wärmebatterien fungieren und somit auch Energie in Form von Wärme speichern. Die ungenutzte Wärme kann als Energie an Stromnetze eingespeist werden. Einige Netzbetreiber nutzen bereits elektrische Warmwasserbereiter zu Speicherzwecken, während politische Entscheidungsträger und Forscher in zahlreichen Ländern wie Australien und den USA eine breitere Einführung elektrischer Warmwasserbereiter als dezentrale Energieressource fördern.

Wie funktionieren DER-Systeme in Verbindung mit Stromnetzen?

Während DER nur bestimmte Standorte versorgen, können sie dennoch mit lokalen Energienetzen verbunden werden. Dafür kommt ein Prozess zum Einsatz, der als Zusammenschaltung (Interconnection) bezeichnet wird. Die Zusammenschaltung erfolgt sowohl auf administrativem als auch auf technischem Wege: DER-Eigentümer müssen bei den Versorgungsunternehmen Anträge auf Zusammenschaltung einreichen und sicherstellen, dass sie über die erforderliche Technologie verfügen, um diesen Prozess zu unterstützen. Zu dieser Technologie gehören unter anderem Geräte, die als Wechselrichter bezeichnet werden.

Wechselrichter wandeln Gleichstrom (DC) in Wechselstrom (AC) um. Viele DER-Einheiten wie beispielsweise Solar- und Windkraftanlagen erzeugen Gleichstrom, während der größte Teil der Energieübertragung und -verteilung über Wechselstrom erfolgt. Wechselrichter wandeln daher den von DER erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um, sodass dieser anschließend über Stromnetze übertragen werden kann.

Einige DER speisen Strom in größere Netze ein, nachdem sie zuerst an Inselnetze (Microgrids), angeschlossen wurden. Das sind kleine Netze, die lokale Gebiete mit Strom versorgen. Eine oder mehrere DER-Technologien bilden in der Regel ein Inselnetz. Inselnetze funktionieren nicht nur in Verbindung mit herkömmlichen Großstromnetzen, sondern können auch im „Inselmodus“ betrieben werden, was bedeutet, dass sie vollständig autonom arbeiten.

DER können auch zu Energienetzwerken zusammengefasst werden, die als virtuelle Kraftwerke (Virtual Power Plants, VPPs) bezeichnet werden. Energieversorger und Netzbetreiber können VPPs nutzen, um ihren Strombedarf zu decken, wenn ihre eigenen Vorräte nicht ausreichen.

Was sind die Vorteile von DER?

DER-Systeme bieten eine Reihe von Vorteilen für Menschen und unseren Planeten.

Energieeffizienz

Wenn Strom durch Übertragungsleitungen fließt, kommt es zu einem Energieverlust, der bei langen Übertragungswegen immer weiter zunimmt. DER tragen dazu bei, diesen Energieverlust zu reduzieren, indem sie nahegelegene Verbrauchsstellen mit Strom versorgen, ohne dass dieser lange Distanzen zurücklegen muss. Darüber hinaus ermöglichen DER ein Energiemanagement Energiemanagement durch Demand-Response-Programme: Versorgungsunternehmen bieten Energiekunden Anreize, ihren Energieverbrauch zu ändern, und ermöglichen es den Versorgungsunternehmen, auf die DER-Systeme der Kunden zuzugreifen, um so ihren Strombedarf zu decken.

Niedrigere Preise

Verbraucher mit DER-Anlagen können entweder billigeren Strom für den Eigenverbrauch produzieren oder erhalten Gutschriften für die Einspeisung von Energie in ihr lokales Stromnetz – eine Praxis, die als Nettomessung (Net Metering) bekannt ist. Auch für Energieversorger sind DER kosteneffizient: Durch die Integration von DER in ihre Systeme können sie die hohen Kosten vermeiden, die durch den Aufbau neuer Energieinfrastrukturen entstehen würden.

Geringere Emissionen

Viele dezentrale Energieressourcen werden mit erneuerbarer Energie oder Wasserstoff betrieben, was zu geringeren Emissionen führt als die Stromerzeugung auf Öl- und Kohlebasis. DER sind daher einen wichtigen Faktor für die Energiewende.

Ausfallsicherheit des Stromversorgungssystems

Der Klimawandel hat die Häufigkeit extremer Wetterereignisse und Naturkatastrophen erhöht: Diese Ereignisse können häufig die Energieinfrastruktur beschädigen und Stromausfälle und Störungen verursachen. Dezentrale Energieressourcen erhöhen dementsprechend die Widerstandsfähigkeit des Stromversorgungssystems, indem sie Backup-Optionen für die Energieerzeugung bieten, wenn zentralisierte Kraftwerke von Ausfällen betroffen sind.

Was sind die Herausforderungen von DER?

Trotz der Vorteile dezentraler Energieressourcen stehen sowohl Verbraucher als auch Netzbetreiber bei der Einführung von DER vor Herausforderungen.

Vorlaufkosten

Obwohl DER-Systeme die Energiekosten langfristig senken können und sich somit nach einer gewissen Zeit rentieren, können sich die Installationskosten für dezentrale Energieressourcen wie Brennstoffzellen und Photovoltaikanlagen auf Tausende von Euro belaufen – ein Preis, der für einige Verbraucher unerschwinglich sein kann. Staatliche Anreize wie Steuergutschriften und Subventionen können dazu beitragen, die Vorlaufkosten zu decken. Auch Finanzierungsprogramme können hier weiterhelfen: Wenn ein Unternehmen oder Privatpersonen die Anschaffungs- und Installationskosten eines DER-Systems über einen längeren Zeitraum hinweg zahlen können, lassen sich diese Kosten durch die Einsparungen (oder im Falle der Einspeisung überschüssiger Energie sogar Gewinne) leichter kompensieren.

Überlastete Stromnetze

Die im 20. Jahrhundert gebauten Stromnetze und -verteilungssysteme sind nicht für einen bidirektionalen Fluss ausgelegt. Dadurch ist der gleichzeitige Fluss von Elektrizität von zentral gelegenen Kraftwerken zu den Verbrauchern und der Fluss von den DER im Besitz der Verbraucher in ein Netz nicht immer möglich. Daher können die Netze durch den Strom aus DER überlastet werden, was zu Netzengpässen führt und Gebiete dem Risiko von Stromausfällen aussetzt. Eine verstärkte Koordination zwischen den Stakeholdern des Energiesystems – einschließlich Regulierungsbehörden, Netzbetreibern und Verbrauchern – und die Anwendung von Smart-Grid-Technologien können dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen.

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